Entscheidung

Entscheidung Nr. 2011-181 QPC vom 13. Oktober 2011

Herr Antoine C. [Wehrdienstverweigerung und Berechnung der Anzahl der Dienstjahre im öffentlichen Dienst]

Der Verfassungsrat ist am 13. Juli 2011 gemäß den von Artikel 61-1 der Verfassung vorgesehenen Voraussetzungen vom Staatsrat (Beschluss Nr. 349660 vom 13. Juli 2011) bezüglich einer von Herrn Antoine C. erhobenen vorrangigen Frage zur Verfassungsmäßigkeit angerufen worden, welche die Frage der Vereinbarkeit von Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das Gesetz Nr. 71-424 vom 10. Juni 1971 über die Einführung eines Wehrdienstgesetzbuches mit den von der Verfassung verbürgten Rechten und Freiheiten zum Gegenstand hat.

DER VERFASSUNGSRAT,

Unter Bezugnahme auf die Verfassung;

Unter Bezugnahme auf die geänderte gesetzesvertretende Verordnung Nr. 58-1067 vom 7. November 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Verfassungsrat;

Unter Bezugnahme auf das Wehrdienstgesetzbuch;

Unter Bezugnahme auf das Gesetz Nr. 71-424 vom 10. Juni 1971 über die Einführung eines Wehrdienstgesetzbuches;

Unter Bezugnahme auf das Gesetz Nr. 83-605 vom 8. Juli 1983 zur Änderung des Wehrdienstgesetzbuches;

Unter Bezugnahme auf die Geschäftsordnung vom 4. Februar 2010 über das Verfahren vor dem Verfassungsrat bei vorrangigen Fragen zur Verfassungsmäßigkeit;

Unter Bezugnahme auf die für von der Rechtsanwaltskanzlei Chavent-Mouseghian, Anwälte der Rechtsanwaltskammer von Saint-Etienne, eingereichten Stellungnahmen, eingetragen am 1. August, am 9. August und am 29. August 2011;

Unter Bezugnahme auf die vom Nebenintervenienten Herrn Alain C. eingereichten Stellungnahmen, eingetragen am 1. August und am 12. September 2011;

Unter Bezugnahme auf die für den als Nebenintervenienten auftretenden Herrn Pierre A. von der Rechtsanwaltskanzlei J. Barthélemy, O. Matuchansky, C. Vexliard, beim Staatsrat und beim Kassationsgerichtshof zugelassene Anwälte, eingereichte Stellungnahme, eingetragen am 2. August 2011;

Unter Bezugnahme auf die vom Nebenintervenienten Herrn André C. eingereichte Stellungnahme, eingetragen am 5. August 2011;

Unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Premierministers, eingetragen am 10. August 2011;

Unter Bezugnahme auf die zu den Verfahrensakten gegebenen Unterlagen;

Nachdem Herr RA Yves Chavent für den Antragsteller und Herr Xavier Pottier, Beauftragter des Premierministers, im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 4. Oktober 2011 gehört worden sind;

Nachdem der Berichterstatter gehört worden ist;

  1. In Erwägung dessen, dass der Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das oben genannte Gesetz vom 10. Juni 1971 lautet: „Männer, welche den aktiven Wehrdienst abgeleistet haben, sowie diejenigen, die ihren Verpflichtungen aus diesem Gesetzbuch nachgekommen sind, werden als die Verpflichtungen gemäß Artikel 16 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 59-244 vom 4. Februar 1959 über den allgemeinen Status der Beamten sowie gemäß Artikel 16 der gesetzesvertretenden Verordnung Nr. 58-1270 vom 22. Dezember 1958, Verfassungsergänzungsgesetz über den Status der Richter und Staatsanwälte, erfüllend betrachtet.
    „Die tatsächliche Dauer des nach einer der Modalitäten des Titels III abgeleisteten aktiven Wehrdienstes wird im öffentlichen Dienst auf das für eine Beförderung und den Eintritt in den Ruhestand erforderliche Dienstalter angerechnet.
    „Die im Wehr- oder Verteidigungsdienst geleistete vorgeschriebene Zeit über diejenige des aktiven Wehrdienstes hinaus wird bei Beförderungen und bei der Versetzung in den Ruhestand voll angerechnet“;

  2. In Erwägung dessen, dass der Antragsteller behauptet, das Gleichheitsgebot sei dadurch verletzt, dass die angegriffene Vorschrift nicht für Beamte gelte, die vor Inkrafttreten des oben genannten Gesetzes vom 8. Juli 1983 als Kriegsdienstverweigerer Ersatzdienst geleistet haben;

  3. In Erwägung dessen, dass die vorrangige Frage zur Verfassungsmäßigkeit den zweiten Absatz von Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das oben genannte Gesetz vom 10. Juni 1971 zum Gegenstand hat;

  4. In Erwägung dessen, dass Artikel 6 der Menschen- und Bürgerrechtserklärung von 1789 vorschreibt: „Das Gesetz […] soll für alle gleich sein, mag es beschützen, mag es bestrafen“; dass das Gleichheitsgebot dem Gesetzgeber weder verbietet, verschiedene Sachverhalte verschieden zu regeln, noch aus Gründen des Allgemeininteresses vom Gleichheitssatz abzuweichen, solange in beiden Fällen die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung in direktem Zusammenhang mit dem Zweck des Gesetzes steht, welches sie begründet;

  5. In Erwägung dessen, dass, zum einen, die angegriffene Bestimmung dadurch, dass sie den Genuss der Anrechnung der Dauer des abgeleiteten Wehrdienstes auf das Dienstalter im Rahmen eines Beamtenverhältnisses nur für diejenigen jungen Menschen vorsieht, die ihren Wehrdienst gemäß einer der von Titel III vorgesehenen Formen abgeleistet haben, die Kriegsdienstverweigerer, welche vor Inkrafttreten des Gesetzes vom 8. Juli 1983 dem Titel II unterlagen, von dieser Regelung ausgeschlossen hat; dass Artikel 41 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das Gesetz vom 10. Juni 1971 lautet: „Erklärt ein junger Mensch vor seiner Heranziehung zum Wehrdienst, dass er aus religiösen oder weltanschaulichen Gründen den Gebrauch von Waffen unter allen Umständen ablehnt, kann er die Verpflichtungen des Wehrdienstes […] entweder in einer nicht bewaffneten militärischen Einheit oder in einer zivilen Einheit mit gemeinnütziger Tätigkeit ableisten“; dass, zum anderen, der Gesetzgeber durch die angegriffene Vorschrift für die Berechnung der Pensionsansprüche im öffentlichen Dienst den Zeitraum des Wehrdienstes mit einer im öffentlichen Dienst geleisteten Tätigkeit gleichsetzen wollte; dass er daher vorgesehen hat, dass im öffentlichen Dienst die Dauer des aktiven Wehrdienstes vollumfänglich bei der Berechnung des für eine Beförderung sowie für die Pensionsansprüche erforderlichen Dienstalters einfließt; dass er damit, indem er die Wehrdienstverweigerer vom Genuss dieser Regelung ausschloss, im Hinblick auf den vom Gesetz verfolgten Zweck eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung vorgesehen hat;

  6. In Erwägung dessen, dass daher im zweiten Absatz von Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das oben genannte Gesetz vom 10. Juni 1971 folgender Wortlaut für verfassungswidrig erklärt werden muss: „nach einer der Modalitäten des Titels III abgeleisteten“; dass diese Verfassungswidrigkeitserklärung mit der Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung wirksam wird; dass die Verfassungswidrigkeitserklärung in jedem noch anhängigen Rechtsstreit, in dessen Rahmen die für verfassungswidrig erklärte Vorschrift entscheidungserheblich ist, geltend gemacht werden kann;

  7. In Erwägung dessen, dass der übrige Wortlaut des zweiten Absatzes von Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das Gesetz vom 10. Juni 1971 gegen keine weiteren von der Verfassung verbürgten Rechte und Freiheiten verstößt,

ENTSCHEIDET:

Artikel 1 - Im zweiten Absatz von Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das Gesetz Nr. 71-424 vom 10. Juni 1971 über die Einführung eines Wehrdienstgesetzbuches wird folgender Wortlaut für verfassungswidrig erklärt: „nach einer der Modalitäten des Titels III abgeleisteten“.

Artikel 2 - Die in Artikel 1 ausgesprochene Verfassungswidrigkeitserklärung wird ab der Veröffentlichung der vorliegenden Entscheidung gemäß den in der Erwägung Nr. 6 festgelegten Voraussetzungen wirksam.

Artikel 3 - Der übrige Wortlaut des zweiten Absatzes von Artikel L. 63 des Wehrdienstgesetzbuches in der Fassung durch das Gesetz vom 10. Juni 1971 ist verfassungsgemäß.

Artikel 4 - Diese Entscheidung wird im Amtsblatt der Französischen Republik veröffentlicht und gemäß den Vorschriften des Artikels 23-11 der oben genannten gesetzesvertretenden Verordnung vom 7. November 1958 zugestellt.

Beschlossen durch den Verfassungsrat in seiner Sitzung vom 13. Oktober 2011, an der teilgenommen haben die Damen und Herren Jean-Louis DEBRÉ, Präsident, Jacques BARROT, Claire BAZY MALAURIE, Guy CANIVET, Renaud DENOIX de SAINT MARC, Jacqueline de GUILLENCHMIDT, Hubert HAENEL und Pierre STEINMETZ.

Veröffentlicht am 13. Oktober 2011.

Les abstracts

  • 5. ÉGALITÉ
  • 5.1. ÉGALITÉ DEVANT LA LOI
  • 5.1.6. Violation du principe d'égalité
  • 5.1.6.7. Droit social

Les dispositions contestées, en réservant la mesure de reprise d'ancienneté aux jeunes gens ayant accompli leur service national dans les conditions prévues au titre III du code du service national, excluent du bénéfice de cette mesure les objecteurs de conscience qui relevaient, avant la loi n° 83-605 du 8 juillet 1983 modifiant le code du service national, du titre II. Aux termes de l'article 41 du code du service national, dans sa rédaction issue de la loi du 10 juin 1971 : " Les jeunes gens qui, avant leur incorporation, se déclarent, en raison de leurs convictions religieuses ou philosophiques, opposés en toutes circonstances à l'usage personnel des armes peuvent être admis à satisfaire aux obligations du service national... soit dans une formation militaire non armée, soit dans une formation civile assurant un travail d'intérêt général ". Le législateur, par les dispositions contestées, a entendu assimiler, pour le calcul des droits à la retraite des agents de la fonction publique, cette période à un service accompli dans la fonction publique. Ainsi, il a prévu que le temps de service national actif soit compté, dans la fonction publique, pour sa durée effective dans le calcul de l'ancienneté de service exigée pour l'avancement et pour la retraite. Par suite, en excluant du bénéfice de cette mesure les objecteurs de conscience, il a institué, au regard de l'objet de la loi, une différence de traitement injustifiée.

(2011-181 QPC, 13 Oktober 2011, cons. 5, Journal officiel du 15 octobre 2011, page 17464, texte n° 76)
À voir aussi sur le site : Communiqué de presse, Commentaire, Dossier documentaire, Décision de renvoi CE, Vidéo de la séance.